„Wo ein Kirschbaum wächst, gedeiht auch Bambus“


Ich habe in den letzten Tagen den Bambus in meinem Garten geschnitten. Auf der östlichen Seite, hinter dem Haus, befindet sich der sogenannte „Secret Garden“. Eine sehr mächtige, pagodenförmige Tanne, deren Äste bis auf den Boden reichen und der üppige, hainbildende Bambus machen diesen Teil zu einem versteckten, fast uneinsichtigen Bereich.

Der Bambus, mit weltweit über 1000 Arten, tritt vielfältig in Erscheinung. Baum – oder strauchartig, kletternd und hängend kann er sein. Es gibt Arten, die 40 Meter hoch oder auch nur knapp bodenbedeckend werden. In unseren Breiten kann man ihn grob in zwei Lager teilen. Da gibt es den Horst bildenden, der, wie der Name schon sagt, als eine Art Busch auf seinem Platz bleibt, und den Ausläufer treibenden Bambus, der gerne wandert und dabei einen Hain bildet. Eine Rhizomsperre ist hier oftmals angebracht, will man nicht auch den Nachbarn zwangsbeglücken.

Der Bambus generell ist eine wüchsige, hübsche und sehr dankbare Pflanze. Derartig vielseitig einsetzbar und als schnell wachsende Rohstoffquelle, besonders als Holzersatz, sehr wertvoll. Er wird auch das Holz der armen Leute genannt.

Das Schöne an dieser Pflanze ist ihre ausdauernde, immergrüne Erscheinung. In unseren Gärten gibt es die frostharten Sorten, die zu jeder Jahreszeit schön anzusehen sind. Im Winter oft bis zum Boden geneigt, wenn der Neuschnee auf ihm lastet sowie frühmorgens im Sommer, wenn er den Tau einfängt und die Tropfen sich, wie in einem Bild von Ewigkeit an den Blattspitzen als funkelnde Diamanten sammeln, ist er eine abwechslungsreiche Augenweide.
Das ganze Jahr über spielt der Wind mit den Blättern und entlockt ihm dabei ein beruhigendes Säuseln. Der Bambus zaubert einen Hauch von Exotik nicht nur in unsere Gärten. Auch als Balkon, -Terrassen – oder Zimmerpflanze hat er seinen festen Platz gefunden.

Ursprünglich aus Asien, China kommend, hat er sich in unterschiedlichen Arten und Gattungen nicht nur um den Äquator herum angesiedelt. Wir finden sogar einzelne Formen im Himalaya. Sehr weit verbreitet ist er in Nord – und Südamerika, Australien, Japan und auch in Afrika. Prähistorische, versteinerte Funde wurden auch hier in Europa entdeckt.

Botanisch gesehen gehört er zu den Süßgräsern und bildet unterirdische Rhizome. Die Halme, welche wir als Pflanze oberirdisch sehen, sind seine Vorratskammer. Dort lagert er seine Nährstoffe, um sie für neues Wachstum heranziehen zu können.
Dieser Halm kann je nach Art und Gattung die unterschiedlichsten Formen und Farben haben. Er entfaltet sich aus einem Sproß heraus, ist aufgebaut wie eine Teleskopstange und ein statisches Wunder.
Seine Blätter kann er seitlich einrollen, was oft ein Zeichen von Trockenheit ist. Genauso gut kann er sie aber auch drehen und damit der Sonne zu – oder abwenden.

Interessant ist auch seine Blüte. So ganz sicher sind sich die Botaniker immer noch nicht, weshalb ein Bambus oft erst nach vielen Jahren blüht. Es handelt sich um eine Zeitspanne von 10 bis 120 Jahren. Die äußeren Umstände, so glaubt man, spielen dabei eine wesentliche Rolle. Oft bedeutet das Erscheinen seiner unscheinbaren Blüten auch das Absterben der Pflanze.

Optisch sehr auffällig an diesen Halmen ist die Segmentierung. Nodium (lat. nodus; Gelenk, Verbindung) heißt der jeweilige Knoten. Internodium nennt man den Bereich zwischen diesen Knotenpunkten. Bei den meisten Arten ist der Halm innen hohl, nur das Nodium ist mit einer Haut verschlossen.

Sein Name Bamboo kommt aus dem Malaiischen. Kein geringerer als Marco Polo soll auf den Philippinen zur Abschreckung wilder Tiere ein Feuer aus Bambus entzündet haben. Dabei kam es durch die Ausdehnung der heißen Luft im Internodium zu explosionsartigen Entladungen, es knallte. Aus diesem „Bäm buh“ wurde der Bamboo bzw. Bambus.

Er dient aber nicht nur als Brennmaterial, sondern ist fest mit der Kultur seiner jeweiligen Heimat verbunden. Ob als Nahrungsmittel in Form von Bambussprossen, als Medizin bei Atemwegserkrankungen durch Verschleimung, zur Entgiftung, als fiebersenkender Tee, als wertvolle Kieselsäurequelle für Haar, Haut, Gewebe und Knochen. Vamsalochana nennt die Ayurveda die natürliche, über Jahre angesammelte Kieselsäureablagerung im Nodium, welche eine wertvolle Medizin in dieser alten Heiltradition darstellt.

Aber auch Gegenstände des täglichen Bedarfs, wie Geschirr, Körbe, Bürsten, Musikinstrumente, Sandalen, Stoffe, Hüte, Matten, Möbel, Papier, Pinsel, selbst Waffen uvm. sind aus Bambus. Als schnell nachwachsender Rohstoff, der besonders beim Bau in asiatischen Ländern eine günstige und oft ideale Alternative zum Holz darstellt, ist er nicht wegzudenken.

Zäune, Wasserleitungen, Baugerüste, Brücken, ja sogar ganze Häuser werden aus seinen Halmen errichtet. Der Bambus besteht hauptsächlich aus Kieselsäure und hat nur einen ganz geringen Holzstoff-Anteil (Lignin). Er ist stabiler, leichter und flexibler als Stahl und Holz und rostet nicht. Was wiederum im feucht-heißen Klima der Tropen von Vorteil ist.

Bei Erdbeben stützt man vorzugsweise mit Bambus die Betondecken gegen das Einstürzen. Er ist durch seine Beschaffenheit wie ein bewegliches Skelett, das extreme Bewegungen mitmachen und zudem viel Gewicht tragen kann. In Asien sieht man riesige Brücken, nur aus Bambus gebaut, wo schwere Laster Tag ein Tag aus darüber donnern. Hochhäuser werden ohne Bedenken mit Bambusstangen eingerüstet.

Es ist ein wahres Geschenk der Natur, dass gerade in den Tropen der Bambus in kürzester Zeit bis zu 40 Meter hoch werden kann. Bambus erzeugt in der gleichen Zeit fünfmal mehr Biomasse als Holz.
In Indien stellt seine Zellulose einen Großteil der Papiererzeugung. Gleichzeitig wirkt das dichte Netz seiner Rhizome gegen die fortschreitende Bodenerosion die besonders zur Regenzeit ein Thema ist.

In China zählt er zu den „vier Edlen“ der Pflanzenwelt und findet in traditionellen Zeichnungen seinen Ausdruck. Schon vor 4000 Jahren fand er dort seine schriftliche Erwähnung. In Japan gehört er zu den „Drei Freunden“, gemeinsam mit Kiefer und Pflaumen. Auch ist er aus keinem traditionellen japanischen Garten wegzudenken. In Tempelanlagen symbolisiert er Buddha persönlich.

Wir sehen anhand dieser Aufzählungen, wie tief verwurzelt Bambus in den einzelnen Kulturen ist. Er „begleitet“ den Menschen.

Andere berühmte Dinge aus Bambus, aus unserer Ecke der Welt, sind der Glühfaden in Thomas Edisons Glühbirne (1882), sowie der Spazierstock Charlie Chaplins.

Einmal mehr erkennen wir, dass der Schöpfungsgedanke, welcher in der Natur seinen Ausdruck findet, durch seine Vielfalt an Ideen und Gestaltungsmöglichkeiten, Lösungen oft schon lange vor dem Problem anbietet. Wir können durch unsere Wissenschaften nichts Neues erfinden, sondern nur das bereits Bestehende entdecken und verstehen lernen, um dieses dann im besten Fall nachbauen zu können.

Ich hüte meine geschnittenen Halme wie einen Schatz. Im Garten findet der Bambus dadurch lange seine wertvolle Verwendung. Seine immergrünen Blätter dienen als Grünfutter im Winter für meine Hasen.
Gerne mache ich Windspiele aus ihren einzelnen Segmenten oder auch Schmuck. Ein Projekt für diesen Sommer wird das Bauen eines Shishi-Odoshi sein. Dieses Bambus-Wasserspiel stammt aus Japan und bringt eine gleichmäßige, meditative Bewegung von Wasser, zusammen mit einem rhythmischen Klack-Geräusch, in jedes Wasserbecken. Das Gleichgewicht, bzw. das Ausgleichen eines Ungleichgewichts, ist dabei der treibende Motor.
Das Spiel von Wasser, das Flüstern des Windes und die Bewegung der Bambushalme spiegeln das Bild der Natur in völliger Eintracht wider. Wir sind umgeben von wahren Schätzen, wo Harmonie und Nützlichkeit Hand in Hand gehen.

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Ein Gedanke zu „„Wo ein Kirschbaum wächst, gedeiht auch Bambus“

  1. Liebe Magdalena,

    Schön hast du den Bambus da in Szene gesetzt und ihm inhaltlich den Raum gegeben, den er im Garten so gerne einnimmt. Neu und überraschend war für mich die Namensherkunft „Bäm Buh“, das finde ich herrlich. Als ich den biologischen „Böller“ das erste Mal explodieren sah und hörte, wußte ich nur: „Der kommt mir nicht mehr ins Feuer!“ …bin ich doch so geräuschempfindlich 🙂 Danke fürs Teilen dieses Artikels!

    mit herzlichen Grüßen,

    Alfred

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