Tulsi

Im goldenen Spätsommer, wenn es tagsüber noch sehr warm sein kann, nachts der Herbst vorbeischaut, und der Himmel dieses tiefe Blau hat, dann ist auch die Zeit, Samen für das kommende Jahr zu ernten.

Unter den reifen Samen ist auch das Tulsi, das indische, heilige Basilikum. Ocimum sanctum. Tulsi (Sanskrit) bedeutet die Unvergleichliche, was für ein vortrefflicher Name.

Es ist nun fast 20 Jahre her, dass ich es bei einer Indienreise für mich entdeckt habe. Ich bin vielmehr auf die Tulsi Altäre, Tulsi Matham, in den Gärten aufmerksam geworden. Ein gemauertes Türmchen, oft ein richtiges Kunstwerk in der Mitte des Hofes. Ich fuhr damals mit dem Motorrad durch die Dörfer, immer wieder sah ich diese Altäre, jeder ein Unikat, es gibt eigene Handwerker, die nur diese Altäre bauen. Farbig bunt, mit allen erdenklichen Verzierungen. Dargestellt werden oft Lotosblüten, Elefantenköpfe und vieles mehr. Mit einem kleinen Öllämpchen wird sie (die Tulsi Devi, die Pflanze ) täglich zum Leben erweckt, bzw. verehrt. Man findet sie auch als Tulsivrindavana, Basilikumwald, mit Steinen umrandet in Gärten angelegt. Wo der Platz fehlt, genügt eine kleine Topfpflanze vor dem Hauseingang, um sicherzustellen, dass nur Gutes über die Schwelle hereinkommt.

alte Aufnahmen mit meiner simplen Kamera vor 20 Jahren

Genauso wie heute, habe ich damals Samen geerntet und mitgenommen und hatte dann im Folgejahr meine ersten Pflanzen, die ich unter Freunden als Exote verteilte. Heute ist Tulsi sehr bekannt, sie ziert unsere Gärten und so manches Fensterbankerl. Damals konnte mir kaum jemand etwas dazu sagen. Im folgenden Winter, zurück in Indien, ging ich also meinen Fragen nach, und fand viele Antworten:

Diese Pflanze, so glaubt man, gibt göttlichen Schutz, sie verbreitet eine klärende Energie, verbindet uns mit dem Göttlichen,  reinigt die Aura und öffnet das Herz und den Geist. Oft findet es Verwendung bei Ritualen und dient als wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Heilung.
Ein Haushalt ohne Tulsi Pflanze, so sagt man, sei unvollständig.

Ein einziges Blatt genügt, um die Götter gnädig zu stimmen.

So werden einzelne Blätter auch den Toten auf die Zunge gelegt, oder bei der Verbrennung mit ins Feuer geworfen, weil ihre reinigende Kraft selbst die Sünden hinweg nehmen kann. In der Überlieferung heißt es, dass man Krishna nicht mit Gold aufwiegen konnte, aber ein Tulsi Blatt soll dafür genügt haben.

Ganz besonders unter Frauen ist die tägliche Verehrung weit verbreitet. Soll sie doch Segen für ganze die Familie bringen und den Kinderwunsch erfüllen.

Das Tragen einer Tulsi Mala, einer Kette aus 108 Segmenten, geschnitzt aus dem Stiel der Pflanze, gilt als körperlicher wie auch spiritueller Schutz.

Ein eigenes Festival wird jährlich zu Ehren dieser Pflanze gefeiert. Das Tulsi Vivaha wird nach der Monsumzeit, wenn Lord Vishnu seinen Pakt gegenüber der Erde als Beschützer erneuert, 5 Tage lang gefeiert, wobei eine zeremonielle Hochzeit zwischen Ihm und der Erde stattfindet. Diese Hochzeit leitet Mitte Oktober die jährliche Hochzeitsaison Indiens ein.

Viele schöne Geschichten aus alten Schriften zeugen von der langen Tradition dieser Pflanze und ihrer starken Verbundenheit mit den Menschen und ihrem täglichen Leben.

Die Pflanze als Ganzes, sagt man, trägt auf ihren Blättern Lord Brahma, den Erschaffer unserer Welt so wie wir sie sehen, in den zarten Ästen finden die Veden, das Wissen der Menschheit, ihre Wohnstatt, der Stamm beherbergt alle übrigen Gottheiten, und in den Wurzeln selbst fließt in Ewigkeit der mächtige Fluss Ganges.

Botanisch betrachtet gibt es über 60 Basilikum Arten, die hauptsächlich aus dem tropischen Asien und Amerika stammen, und gehören zur Familie der Lippenblütler. Viele neue Züchtungen und Kreuzungen haben das Sortiment erweitert.
Tulsi selbst ist heimisch in Indien und Nepal, wo es drei wesentliche Tulsi Typen gibt.
Das erste wohl häufigste ist das Sri oder Rama Tulsi. Es ist behaart und die Blätter sind etwas kleiner und eher grün-grau.
Das Krishna Tulsi hat violette Stiele und rötliche Blätter. Das Vana Tulsi ist eine Form, die besonders wildwachsend im Wald zu finden ist. Verwendet werden alle drei Arten.
Für die jeweiligen Gottesverehrungen findet natürlich das Krishna Tulsi seinen Platz im Krishna Tempel und Rama bekommt sein Gleichnamiges dargeboten.

Das Kraut findet seit über 5000 Jahren in der Ayurveda Verwendung und gehört dort zu einer der meist verarbeiteten Pflanze. Über 300 Rezepte sind bekannt, wobei lokale Anwendungen weit über diese Anzahl hinausgehen.

Nicht nur in der Medizin und Kosmetik findet sie Verwendung, vielmehr ist sie als wesentlicher Bestandteil in der Kultur und Religion verwurzelt.
Diese kleine Pflanze ist von der Wurzel bis zu den Blüten heilig, selbst die Erde, in der sie wächst und das Wasser, womit wir sie gießen, ist heilig.

Der Wind, wo auch immer er ihr würziges Aroma verbreitet, reinigt und klärt den Raum. Man kann also sagen, dass dieses Basilikum gemeinsam mit dem Lotus zu den wohl bedeutendsten und heiligsten Pflanzen dieser Kultur zählt!    In unzähligen Texten und heiligen Schriften findet sie Erwähnung, und Legenden über den Ursprung der Pflanze gibt es viele.

Tulsi Devi, selbst eine Göttin, soll die Inkarnation einer Gopi, einer Krishna Verehrerin, sein, die aus Eifersucht heraus, von Radha, Krishnas Frau, verwunschen worden und als Tulsi Pflanze wieder geboren wurde.

Ihre therapeutische Anwendung ist so breit gefächert, dass es kein Wunder ist, wenn sie bis heute fest verankert, wie ein Schutzengel, den Menschen begleitet.

Nach spagyrischer Verarbeitung verwendet man sie dann, wenn Merkur aus seinem Zuhause, dem Herzen herausgerissen wurde. Aber auch bei Ängsten und Problemen mit den Atemwegen.
Auch die Ayurveda stärkt die Lunge bei einer einfachen Verkühlung bis hin zu Asthma, Tuberkulose und Bronchitis damit.

Fungizid, antiviral, antiallergisch und antibiotisch ist die Wirkung, sowie entzündungshemmend, speziell bei Augenentzündungen.

Auch ihren Anti-Aging Effekt hat die Kosmetik schon lange entdeckt. In der Krebstherapie hat sie eine positiv schützende Wirkung auf die Zellen während einer Chemotherapie.

Sie reduziert die negativen Auswirkungen von Stress auf Körper und Geist und die Adrenalinausschüttung. Als Nerventonikum stärkt sie die Sinne und die grauen Zellen und wirkt antidepressiv.

Sie reguliert die Verdauung, unterstützt die Leber und hilft den Magen sich zu regenerieren. Verdünnt und reinigt das Blut und vertreibt Würmer und Parasiten. Reduziert Cholesterin, reguliert den Blutdruck und wärmt und stärkt das Herz, wo sich der Kreis zur spagyrischen Anwendung wieder schließt, beim Herzen!

Oft wird einfach nur der Saft der Blätter verwendet, mit Zugaben von Ingwer, Pfeffer, grünem Tee, Gelbwurz, Nelken, Salz oder Honig. Je nach Beschwerdebild entsteht die geeignete Kombination dafür.

Als Aphrodisiakum z.b. wird die Wurzel gerieben und in Ghee eingenommen.Auch äußerlich bei Hautproblemen oder Kopfschmerzen aufgetragen, zeigt die jeweilige Mischung gute Abhilfe.
Das ätherische Öl fördert besonders die Konzentration und hilft bei Lernschwierigkeiten.

1903 errichtete man die Victoria Gärten in Mumbai, sämtliche Gärtner litten unter der Moskitoplage, und Malaria fand ihre unzähligen Opfer.  Ein Inder empfahl das Anlegen von großen Tulsi Beeten, genauer gesagt, der ganze Garten wurde damit eingefasst und Tulsi Tee getrunken, und siehe da, Malaria und ihre Quälgeister, die Moskitos waren eingedämmt.

Noch heute findet Tulsi bei Fieber und Grippe eine sichere Anwendung.

Wie eingangs schon erwähnt, ist Tulsi heute auch bei uns kein Exote mehr, und wir alle kennen den aromatischen Tee, der auch als Kaffeeersatz dienen kann.

Diese Pflanze ist ein sehr gutes Vorbild für die gegenseitige Befruchtung von Ost und West.
Der Osten übernimmt vom Westen und umgekehrt, der Westen übernimmt vom Osten. Dieser Austausch verhindert auch das Vergessen!

Wenn ich z.b. vor 20 Jahren Yogaübungen im Freien in Indien gemacht habe, fanden die Leute das dort äußerst lustig und exotisch. Besonders für junge Inder war das Thema überaltert und peinlich. Im Westen war und ist es aber sowas von Hipp, dass diese Welle wiederum zurück schwappt, und wieder in Indien das Thema aufgegriffen wird.
Schon alleine aus wirtschaftlichen Gründen. Dieses Hin und Her ist wesentlich am Erhalt des jeweiligen Themas beteiligt, worunter es förderliche und weniger förderliche gibt.

In der Hermetik ist es ebenso die Ost- Westachse im Pentagramm, die Verbindung zwischen Feuer und Wasser, die eine Waagerechte bildet. Sie markiert das erste Sichtbar werden und das wieder aus dem Blickfeld Verschwindende. Diese Ebene zeigt einen Balanceakt und hält die Dynamik am Laufen.

Wir sehen am Beispiel des heiligen Basilikums, wie tief eine Pflanze in Geschichte und Kultur einer Bevölkerung verwurzelt sein kann. Wie ein gegenseitiges Miteinander, ein Nehmen und ein Geben, das Dasein lebendig hält. Wertschätzung und Achtung aus den Erfahrungen der Vergangenheit lebendig gehalten, in die Gegenwart und weit über die Grenzen hinaus transportieren.

Wenn wir unsere Samen dieses Jahr gut verwahrt über den Winter bringen, die Zuversicht und die Hoffnung neuen Lebens in den Händen haltend, dann haben wir wesentlich dazu beigetragen, dass wirklich Gutes nicht von der Erdoberfläche verschwindet.

Jedes Öllämpchen, das eine indische Frau morgens und abends in ihrem Tulsi Altar entzündet, sowie jeder Same der im darauffolgenden Frühling bei uns keimt, ist ein aktives Miteinander. Ist ein Verstehen und verstanden werden, ein früchtetragender Austausch durch den  Blick von Ost nach West und umgekehrt.

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6 Gedanken zu „Tulsi

  1. Vielen Dank für diese wunderbaren und sehr vielfältigen Informationen zu TULSI. Ich habe den Beitrag mit Begeisterung gelesen. Bisher kenne ich TULSI nur als ätherisches Öl, nun werde ich mich auch um eine Pflanze bemühen und den Tee probieren.
    Diese Hintergrundinformationen zu einer Pflanze, zu ihrer kulturellen Bedeutung sind sehr wesentlich.
    Liebe Grüße aus Jena

    1. Liebe Christine!

      Es freut mich sehr, dass ich dir als Duftexpertin, das Tulsi auch auf eine
      andere Art näher bringen konnte.
      Lg.
      Magdalena

  2. Liebe Magdalena,
    vielen Dank für Deine liebevolle Beschreibung einer wunderbaren Pflanze und Deine (wie immer) wunderbare Fotodokumentation! Tulsi scheint im Moment allgegenwärtig zu sein, vielleicht, weil wir sie -auch wenn sie hier nicht heimisch ist- gut gebrauchen können, denn sie ist aktiver Zellschutz und schützt uns sogar vor ganz üblen Schwingungen ….
    Liebe Grüße Angelika

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