Wenn ich morgens durch den Garten gehe, laufe ich jetzt immer öfter durch Spinnweben, die sich über Nacht gebildet haben. Das Gras ist teilweise taunass, und die noch anhaltende nächtliche Kühle wirkt mehr als erfrischend. Die einen oder anderen Samen beginne zu reifen, damit der Garten sich aus sich heraus auch im kommenden Jahr, reproduzieren kann.
Ich bin bereits eifrig unterwegs und sammle diese Schätze. Die ganze Kraft des Sommers, alles scheint sich in den Samen und Früchten verdichtet zu haben. Das Ergebnis halte ich dankbar in der Hand. Potenzial ohne Ende.
Wenn ich mir den Samenreichtum so ansehen, dann bin ich überzeugt davon, dass Mangel aus der Sicht der Natur ein Fremdwort sein muss.
Die Datura ist schon über und über voll mit ihren Stechäpfeln. Auch das Bilsenkraut hat seine kleinen bekronten Samenbehälter bereits geöffnet, und großzügig verteilt sich bei jeder Berührung ihr Inhalt.
Die Alraune hat längst ihre tomatenähnlichen Früchte gezeigt, und die verlockende Tollkirsche, die mich mit ihren schwarzen großen Augen über Wochen angestarrt hat, beginnt zu trocknen.
Langsam aber sicher geht es ans Ausreifen.
Jeder einzelne Same trägt das Potenzial einer eigenständigen Pflanze, welche wiederum unzählig viele Nachkommen hervorbringen kann, in sich. Fülle und Reichtum ohne Einschränkung, ohne Rationierung.
Die Äpfel beginnen sich zu röten und dort, wo der sprichwörtliche „Wurm“ drinnen ist, wird schon mal überflüssiger Ballast abgeworfen, und so fällt der Apfel nicht weit vom Stamm.
Blüten wie der Phlox, der Hibiskus und viele nicht winterharte wie die Calendula, haben ihren Höhepunkt längst überschritten.
Das Jahresrad hat sich in der sommerlichen Hitze still aber stetig weitergedreht, derweil wir Menschen den Schatten gesucht haben, die Seele baumeln ließen und mit unseren Gedanken im Blau des Himmels eingetaucht sind.
Der späte Sommer ist geprägt von kräftigen Farben, die langsam aber sicher in erdigere Töne übergehen. Mars Energie hat seine Arbeit getan. Mit dem verdichtenden Feuer und dem Übermaß an Schärfe und Konzentration, wurde aus den Strahlen der Sonne, den teilweise heftigen Gewittern und ihren spannungsgeladenen Blitzen sowie der nötigen Trockenheit alles zusammengefasst und findet sich jetzt in den reifenden Früchten und Samen wieder.
Am Reifen der Samen selbst und deren Keimfähigkeit erkennt man die Qualität des dahingehenden Jahres.
Ob der Winter kalt genug und nicht zu trocken war. Ob das Frühjahr zur rechten Zeit wiederum trocken genug bzw. feucht genug war, der Morgenfrost, an den wir uns schon kaum mehr erinnern können, nicht zu weit in den Mai hinein gereicht hat und vieles mehr.
Unwetterschäden, besonders frühe Hagelschäden, die anfänglich brutal und verheerend aussehen können, haben sich oftmals über die Sommerwochen gänzlich ausgewachsen.
Es ist nicht immer alles zerstört und verloren, auch wenn es anfänglich so scheint. Die Zeit heilt auch gerne diese Wunden.
Ich wundere mich immer wieder, dass ich mich jedesmal von Neuem auf die kommende Jahreszeit, welche auch immer heranrückt, wie ein ungeduldiges Kind freue.
Noch sind die Tage relativ lang, noch suchen wir in der heißen Tageszeit gerne den Schatten, aber irgendwie, irgendwo kommt bereits eine Erinnerung, eine Ahnung an eine Zeit danach hoch.
Wir können es förmlich riechen, denn die Gerüche der Vegetation sind herber geworden. Die Kräuter haben jetzt ihre richtige Würze, und die reifere Sonne trocknet noch gut die Ernte.
Das, was wir jetzt sammeln, der Duft und Geschmack des Sommers, wird uns viel später im Jahr das Herz und die Glieder wärmen.
Der Kirschbaum ist am Laubabwerfen, und die Feldfrüchte sind teilweise eingeholt worden. Meine Küken sind bereits selbständig und fast ausgewachsen, wie schnell das geht. Schon im nächsten Frühling werden sie in die Fußstapfen ihrer Eltern treten und es ihnen gleich tun.
So wie beim Gärtner und den Samen in seiner Hand, steht dann wieder die Vermehrung ganz oben auf der Liste.
Aber jetzt blickt dieser Gärtner erst einmal zurück, denn es ist noch garnicht so lange her, wo er die Beete vorbereitet , gesät und bepflanzt hat, das junge Pflänzchen erst gegen Kälte, und später gegen Hitze geschützt hat sowie der Trockenheit und zeitweisen Überflutungen entgegenwirken musste. Er wurde nicht müde immer wieder das jeweilige Ungleichgewicht zu korrigieren. Blumen und Sträucher zu stützen und in ihrem Wachstum zu fördern.
Die treibende Kraft mag wohl der Wunsch sein, aus seinem Garten ein Paradies zu machen.
Gerade ist ein Gewitter über den Garten gezogen, die Bäume haben sich heftig im Wind gebogen, und es tropft noch von ihren Ästen herunter. Die Hühner haben sich verzogen, wer will schon gerne nass werden. Zurück bleibt eine Art Dunst, fast schon wirkt dieser wie ein Nebel, welcher schon in wenigen Wochen das Land einhüllen wird.
Das Sommerloch, das man auch im Garten spürt, ist fast überwunden und langsam, aber sicher geht es ans Ernten und später dann, an das Vorbereiten für den langen Winterschlaf.
Aber jetzt kommt erstmal die Sonne wieder hinter den Gewitterwolken hervor und zeigt ihre Kraft, denn noch ist der Sommer nicht vorbei, und viele schöne Tage liegen noch vor uns.
2 Gedanken zu „Der reife Sommer“
Danke für diese wunderbare Gartenreise….es war als ob du von der Seelenwelt sprichst, nach der sich jeder Mensch sehnt und doch in sich trägt….eine Fülle an Liebe , die bedingslos für jeden da ist .
Danke für dieses bewusst machen….so wichtig heutzutage 😀
Daphne
Liebe “ Schwester“, danke für dein Verstehen! Oft sind wir nur eine „Umarmung“ weit davon entfernt…
Herzlichst
Nani