Ein Tag im Oktober

Jeder Tag, an dem jetzt die Sonne noch ihre Kraft zeigt und die Luft erwärmt, ist wie ein Geschenk. Wie schnell es doch immer geht. Gerade noch war Sommer, und ich habe mich gerne in den Schatten des Apfelbaumes zurückgezogen, geschützt durch jene Blätter, die jetzt schon im Begriff sind, herunter zu fallen. Auch mein Lieblingsplatz neben dem Ahorn hat sich verändert. Wenn er die Sonne jetzt einfängt, dann leuchtet er seit gerade mal zwei Tagen in seinen schönsten Orange – und Rottönen.

Ein Jahr ist wie ein Augenblick, so scheint es manchmal. Es ist mir, als habe ich meine Beete erst vor kurzem bestellt, mich gestern noch über die Blumen erfreut, die daraus hervorgekommen sind, und heute sammle ich schon ihre Samen und schneide das eine oder andere, bereits dürr und kaputt gewordene ab. Was bleibt, ist eine Erinnerung an den Sommer und der Wunsch, es nächstes Jahr anders, vielleicht besser machen zu können. Es ist wie im Leben selbst, man bekommt immer wieder eine neue Chance.

Als Gärtner und Pflanzenfreund erlebt man den Wechsel der Jahreszeiten auf einer ganz anderen Ebene. Beobachtungen über die jeweilige Blüte und Reifezeit im Jahr, den verzögerten oder den heuer verfrühten Wachstumsabschluss. Alles Dinge, die jedes Jahr ihrer eigenen Uhr folgen und ähnlich, aber niemals gleich sind.

Es ist also weniger die neue Herbstmode oder das Planen des Winterurlaubs, wodurch der Gärtner das Nahen der neuen Jahreszeit wahrnimmt.

Sehr auffällig waren z.B. im September die Aktivitäten der Mäuse. So früh kommen sie selten zum Haus, auf der Suche nach ihrem zukünftigen Winterquartier. Die Wanzen haben ihre Invasion auch schon fast abgeschlossen und sich verkrochen.

Meine Hühner machen gerade einen sehr unüblichen und radikalen Federwechsel. Ich weiß nicht, ob der Winter deshalb kälter als sonst werden wird, aber ich habe meine Beobachtungen, und diese lassen mich die Qualität und den Fortschritt der Jahreszeit auf eine ganz spezielle Art wahrnehmen.

Noch riecht die Erde frisch, und zwischen Tag – und Nachttemperatur ist ein großer Unterschied. Das Gras wächst noch gut, aber die Weinbergschnecken haben schon lange ihre Häuser verschlossen. Die Khakifrucht, die Schlehe, sowie die Früchte der Baummispel sind noch hart, d.h. der frühe Frost hat noch nicht genügt, um diese Frostreifer genießbar zu machen. Hingegen ist die kleine Kiwi dadurch bereits essbar und sehr schmackhaft geworden, und die Quitten verströmen nun schon ihren typischen Duft.
Die Frösche springen noch munter im Teich herum, aber die Seerosen blühen nicht mehr auf, da die Lichtintensität bereits zu gering geworden ist. Noch sehr grün ist hingegen der Ginkgo dieses Jahr, und seine streng riechenden Früchte sind noch nicht gefallen.

Der alte und sehr ausgefallene Baumbestand in meinem Garten, begünstigt das Aufkommen von unüblichen Pilzen. Erst neulich entdeckte ich einen seltenen Vitalpilz. Ein willkommenes Herbstgeschenk.

All das sind kleine und größere Zeichen der Natur und ihrer Bewegung im Jahresrad. Jeder folgt dieser Uhr, auch wir Menschen. So bemerken wir vielleicht das unser Schlafbedürfnis größer geworden ist, weil die Tageslichtdauer jetzt immer mehr abnimmt. Verändern sich nicht auch langsam unsere Nahrungsvorlieben, und Rohkost wird immer mehr von warmen Speißen abgelöst? 

Sich dem Außen anzugleichen ist ein Weg, der es uns ermöglicht, uns ganz bewusst als Teil dieser Schöpfung zu fühlen.
Selbst wenn wir unsere Häuser beheizen und die passende Garderobe viel ausgleichen mag, so richten wir doch unsere innere Uhr nach dem Takt der Jahreszeiten.

Der Herbst ist eine wunderschöne Phase im Jahr. Aus der Sicht der Hermetik heißt es, dass der Sulphur, eines der drei Prinzipien, dort seinen Höhepunkt findet. Er zeigt sich in Farben, Düften und einer gewissen Öligkeit. Solange die Vegetation also ihre Wohlgerüche verströmt und die Blätter immer noch eine Spur farbiger werden können, so lange herrscht der Herbst über das Land und seine Bewohner.

Meine Samentüten für das kommende Jahr sind bereits gefüllt und verstaut, auch Ideen für neue Projekte sind im Entstehen.
Denn irgendwann kommt wieder die Zeit, wo die Beete bestellt werden wollen und die kalte Jahreszeit nur als blasse Erinnerung zurückbleibt: begleitet von dem Gefühl, als wäre das Heute zu schnell gekommen, wo doch das Gestern gerade erst begonnen hat.

Ich gehe jetzt noch eine Runde durch den Garten. Die Sonne steht schon sehr tief, und das gelb leuchtende Laub des Salomonsiegel hat seine größte Farbintensität erreicht. Ich erinnere mich noch gut an die freudige Entdeckung im Frühling, als die Pflanze mit ihren pinken Knospen aus der kahlen Erde hervorkam. Für dieses Jahr aber ist ihre Zeit vorbei, denn vielleicht schon morgen, werden die Blätter zu fallen beginnen. Sie hat, so wie ihr Gärtner, aus den gegebenen Wettereinflüssen und anderen, unabänderlichen Umständen, ihr Bestes getan.

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2 Gedanken zu „Ein Tag im Oktober

  1. Liebe Magdalena.
    Deine bunte Herbstreise durch Deinen Garten zu lesen, macht so viel Freude. Und ich lerne immer etwas dazu. Gedanklich bin ich mitgegangen.
    Ein herzliches Danke !

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