Über freche Früchtchen und die Intelligenz der Samen

 

Die Zeit des Reifens und Fruchtens hat längst begonnen. Ich bin vor einiger Zeit mit dem Fahrrad ganz langsam durch die Landschaft gefahren, und dabei fiel mir auf, dass sich knapp über den reifen, goldenen Kornfeldern eine Distelart erhebt. Ihre Flugsamen, die wie beim Löwenzahn in der Luft herumfliegen, erfüllten die ganze Umgebung.

War es nun Zufall oder Absicht, dass die Disteln genau ein paar Zentimeter höher als das Korn gewachsen sind?!

Wären sie gleich hoch, hätte der Wind der für ihre Verbreitung nötig ist, wohl wenig Chance, seine Arbeit zu tun. Sie könnten natürlich auch viel höher sein, aber das würde mehr Energie kosten, und der Umgebungsschutz des Korns wäre weniger wirksam. Also Zufall oder Absicht?

Da der Zufall nur ein Name für ein unbekanntes Gesetz ist (laut Trismegistos), steckt  also Absicht,- Intelligenz dahinter!!

Das Ausbilden von Samen als Informations – und Erbträger ist das Ziel jedes Lebewesens. Gerade die Pflanze hat da eine Sonderstellung, da sie als Individuum an ihren Ort gebunden ist, d.h. sie kann weder von sich aus ihrer Nachhut einen geeigneten Platz zukommen lassen, noch Brutpflege betreiben.

Der richtig gewählte Augenblick des Loslassens  und die Art der Verbreitung, also die bestimmte Ausstattung des Samenkorns sind die einzigen Hilfestellungen der Mutterpflanze, die sie ihren Nachkommen geben kann.

Die Karpobiologie, die Lehre von Samen und Früchten, erforscht unter anderem die Verbreitungsmechanismen  von Samen.

Wir alle kennen den Löwenzahn, als Vertreter der Schirmflieger. Schwerelos fliegt der Samen oft kilometerweit bei günstigem Wind und trockenem Wetter. Ebenso die Schraubenflieger, wozu der Ahornsamen gehört. Wie ein Propeller trägt der  Wind den Samen.
Gleitflügel besitzen die Lindenblüten und Schwimmsamen, wie die Kokosnuss oder der Samen von Mangroven, können lange Zeit (Kokosnüsse über mehrere Jahre) im Wasser herumtreiben.
Wobei die Mangrove noch statisch so ausgerichtet ist, dass sie eine als Schwerpunkt ausgestattete Spitze besitzt, die sich im Idealfall beim Herabfallen von der Mutterpflanze  gleich nach unten in den schlammigen Ufergrund spießt.

Es gibt Lichtkeimer, die erst dann keimen, wenn die Tage lange genug sind und der Samen nicht bedeckt ist. Genauso gibt es Frostkeimer, wo die Keimung erst nach dem Frost aktiviert wird. Beide Mechanismen verhindern eine zu frühe Keimung.
Erst wenn die Tage lange genug sind, der Frost hinter uns liegt, beginnt sich das Leben im Keim zu regen. Viele Samen können Jahre und Jahrzehnte überdauern.
Das betrifft Samen von Pflanzen in Wüsten, wo lange auf seltenen Regen gewartet werden muss. Innerhalb von wenigen Stunden erwacht dann aber die dürre Landschaft zum Leben.

Einjährige Pflanzen (Keim – und Fruchtphase befinden sich in nur einem Jahr, und danach stirbt die Pflanze ab) haben nicht die Notwendigkeit, ihre Kinder in die Ferne zu schicken. Da sie das Feld, den eigenen Standort  sowieso noch im selben Jahr räumen, können die Nachkommen ruhig vor Ort keimen. Die Mohnkapsel z.B. ist eine Streufrucht, die durch Bewegung  vor Ort den Samen ausstreut.

Ameisensamen ( z.B. Taubnessel) besitzen ein Fettanhängsel, welches die Tiere unwiderstehlich finden, und so nehmen sie den Leckerbissen mit in den Bau, wo nach dem Verzehr der Samen liegenbleibt und bereits „gepflanzt“ ist.
Schleuderfrüchte wie das Springkraut oder das Geranium können ihre Samenkörper weit von sich schleudern, mit Hilfe von Wind oder Berührung, aber auch ein gewisser Reifeprozess löst ohne fremde Hilfe diesen Mechanismus aus.

Dann haben wir noch die Pyrophyten, Samen die erst mit Hilfe von Feuer und Hitze ihre Kapsel sprengen und auf mit Asche gedüngte Erde fallen. Dazu kommt noch dass die Konkurrenz von älteren, höheren und lichtraubenden Zeitgenossen eliminiert wird.
Unsere Kiefern und Pflanzen im Australischen Busch sind darauf spezialisiert.

Klett – oder Haftsamen, wer kennt sie nicht? Hartnäckig haften sie an allem, was mit ihnen in Kontakt kommt. Völkerwanderungen von Pflanzen sind nicht übers Land gezogen, sondern haben sich tragen lassen. Ob es die Elemente Wind, Wasser, Luft oder Erde waren, oder Tier und Mensch, spielt dabei keine Rolle, sie waren und sind damit sehr erfolgreich.

Zum Schluss schauen wir uns noch die Lockfrüchte genauer an. Wie der Name schon sagt, locken sie Insekten, Tiere und Menschen mit lecker schmeckenden Früchten an. Eine jede  Frucht hat nur den einen Sinn bzw. Wunsch: die Verbreitung ihrer Samen.

Was hätte ein Apfel davon, wenn er nur vom Stamm fällt? Unter einem bereits bestehenden Apfelbaum zu keimen, würde wenig Sinn ergeben. Also verpacken wir das Ganze in eine leckere Frucht und schicken wir es auf die Reise über den Verdauungstrakt eines  Vogels. Welcher dann irgendwo anders, bereits verdaut und gut gedüngt, das Endprodukt Samen entleert.
Viele Lockfrüchte sind erst dann süß und leuchtend farbig, wenn der Same darin reif ist. Erdbeeren, Himbeeren.. usw.

Es gibt sogar Samen, die erst durch chemische Prozesse im Darm einen Keimimpuls bekommen. Giftsamen hätten es da schwieriger, wer möchte schon sein Transportmittel umbringen?
So kommt es, das die Schale des Samens verdauungsresistent und ungiftig ist, und  das Gift sich nur im inneren des Samens befindet.

Alle diese Systeme können keine Zufälle oder Launen der Natur sein, dahinter steckt der Wunsch zur Vermehrung und wahre Intelligenz.

Nüsse, Kastanien oder Eicheln, lassen sich von Eichhörnchen und Mäusen vergraben. Man hat herausgefunden das rund zwei Drittel von den vergrabenen Wintervorräten wiedergefunden werden, genug um das Tier über den Winter zu bringen, aber auch immer noch genug um die Population der Pflanze zu sichern. Was für ein toller Handel!
Eigennützigen Raubbau wie wir Menschen gerne betreiben, finden wir hier nicht.

Für gewöhnlich produziert eine gesunde Pflanze immer genug Samen, um sich weiter zu vermehren, aber auch um die Welt und ihre Lebewesen herum zu nähren. Das nenne ich Nachhaltigkeit!!

 

Samen sind wichtige Fett – und Öllieferanten; unser Getreide und viele Gewürze sind Samen. Ein Leben ohne Früchte und Gemüse, die nichts anderes als eine „Samen-Verpackung“ sind, ist ebenso wenig vorstellbar.

Was wäre, wenn heute oder morgen unsere Pflanzen beschließen würden, nicht mehr zu produzieren, oder ihre Früchte nicht mehr teilen möchten? Wenn sie nur mehr an sich denken würden, so wie der Mensch, der gerne vergisst, dass es auch noch andere Lebewesen auf dieser Erde gibt, die überleben wollen?

Oder stellen wir uns vor, die Pflanzen würden ihre Prioritäten verändern, nicht mehr die Vermehrung als Ziel haben, sondern den Müßiggang und sich mehr und mehr mit Dingen beschäftigen, die nichts Lebendes hervorbringen…so wie wir Menschen  Gebäude oder  Straßen vorziehen und dafür nur allzu bereit sind, alte Bäume oder Grünflächen zu roden.

Jede Betonfläche nimmt der Natur die Möglichkeit, Samen keimen zu lassen und uns zu ernähren, im Großen wie im Kleinen.

Das Ganze mag abstrakt erscheinen, doch soll uns bewusst werden, welche Verantwortung wir für einander haben!

In Indien gibt es den Ausdruck Bija-Mantra. Dabei setzt man dem Yogi ein Samenkorn (Bija), in Form eines Mantras (heilige Silben), in den Geist. Dieses soll dann Früchte tragen, in dem es durch unzählige Wiederholungen genährt wird, die Gedanken beruhigt und die Aufmerksamkeit dadurch auf das Göttliche lenkt.

Ich bin das, was ich denke.  Dort wo meine Aufmerksamkeit hingeht, ist auch die Welt, in der ich lebe.

Nach dem kurzen Abstecher in die indische Philosophie, zurück zum Samen.
Unvorstellbare Kraft und Energie, aber auch Intelligenz und Geduld steckt in diesem Wunder. Die Schöpfung hat die Verpackung  so vielfältig gestaltet, dass jeder Same ein kleines Wunder an sich ist.

Solanum-Frucht

Besonders Pflanzen produzieren fast immer eine beträchtliche Menge, einen Überschuss an Samen. Jedes Korn, das ich säe, jeder Baum, den ich pflanze, ist mein Beitrag für Leben in der Zukunft.

Einen Baum zu pflanzen, ist ein Zeichen von Vertrauen in die Erde, eine Tat voll Hoffnung auf die Zukunft. Eine Handlung der Nächstenliebe gegenüber nachfolgenden Generationen, die seine Früchte genießen werden, wenn wir nicht mehr da sind.
Louis Mercier

 

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3 Gedanken zu „Über freche Früchtchen und die Intelligenz der Samen

  1. Liebe Magdalena,
    Deine Texte sind phantastisch. Ich freue mich immer, wenn dein Mail über die „Wunder“ unserer Erde in meinem Postfach ankommt. Ich tauche beim Lesen ein, genieße dabei die Fülle der Natur, die Du beschreibst und ich lerne immer so viel dazu.
    Dein Blick auf die Details und dann wieder auf das Ganze machen deine Texte so speziell. Du hast ein unheimlich großes Wissen, ein herzliches Danke für’s Teilen.

  2. Liebe Magdalena
    …. immer wieder Deine wunder-vollen Texte zu lesen, macht mich glücklich. Jedes Wort hat eine Bedeutung und Erklärung in sich und bilden eine Einheit. Die lebendigen Samen könnten uns so viel über Ihre Reise erzählen, …. welch‘ wunderschöne Geschichten, Erzählungen würden uns bereichern ….
    Vor kurzem, … ein Schwemmholz-Stück hat mich so „berührt“, seine Geschichte kenne ich noch nicht, doch Tränen bei der Berührung waren da, es wollte mir etwas erzählen, …. es ist ein besonders schönes Erlebnis, das mich nun begleitet ..
    Magdalena, ich freue mich auf Deine kommenden Herz erfreuenden Zeilen, Worte …
    Alles Liebe Irene

  3. Liebe Magdalena, ich bin begeistert und zugleich voller Respekt, dass du den Mut gefasst hast deine Weisheiten zu teilen. Es ist mir ein purer Genuss mit echt packend lebendigen Tiefgang deine geschriebenen Zeilen zu lesen. Auf viele weitere authentisch ehrliche Geschichten… Danke dafür!

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